Viele Maximalkraftsportler/innen (z. B. Powerlifter) zielen in ihrem Training überwiegend, in manchen Fällen vermutlich sogar ausschließlich, auf eine Verbesserung der neuromuskulären Koordination zur Steigerung der Maximalkraftleistung ab. Die Maximalkraft wird, neben der neuromuskulären Koordination, von vielen anderen Faktoren beeinflusst. Die vorhandene Muskelmasse ist in diesem Kontext ein entscheidender Faktor für die Realisierung von Maximalkraftleistungen, da der Querschnitt eines Muskels bzw. die in ihm enthaltene Anzahl kontraktiler Einheiten determiniert, wie viel Kraft theoretisch erzeugt werden kann. Steigert man also den Querschnitt der an einer Bewegung beteiligten Muskulatur, vergrößert sich dadurch die theoretisch erzeugbare Kraft.
Zusammenhang von Muskelmasse und Maximalkraft
Diese Annahme wird von zahlreichen Korrelationsstudien bestätigt, in denen der Zusammenhang zwischen der Veränderung der Skelettmuskelmasse und der Steigerung der Maximalkraft bei unterschiedlichen Übungen untersucht wurde. Baker, Wilson und Carlyon (1994) stellten in ihrer Untersuchung eine signifikante Korrelation zwischen der Zunahme der fettfreien Masse und der Steigerung der Maximalkraft bei den Übungen Kniebeugen und Bankdrücken fest. In einer weiteren Studie von Brechue und Abe (2002) wurden signifikante Korrelationen zwischen der Zunahme des Muskelquerschnitts und der Maximalkraftleistung bei der Kniebeuge beobachtet. Appleby, Newton und Cormie (2012) konnten diese Ergebnisse auch bei Betrachtung eines längeren Zeitraumes bestätigen. Auch über einen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren wurden signifikante Zusammenhänge zwischen der Maximalkraft der unteren Extremitäten und dem Lean Mass Index (LMI; Indikator für Muskelzuwachs) festgestellt.
Spezifische Aspekte der Trainingsplanung
Im Gegensatz zum Muskelaufbautraining zur reinen Vergrößerung der Muskelmasse und Optimierung des ästhetischen Erscheinungsbildes wird bei einem Hypertrophietraining zur Steigerung des Maximalkraftpotenzials in der Regel mit verhältnismäßig hohen Intensitäten und respektive niedrigen Wiederholungszahlen (<10 Wiederholungen) trainiert. Dies hat den Vorteil, dass durch die höheren Lasten ein Absinken der Maximalkraftleistung (Detraining) während eines Hypertrophiezyklus unwahrscheinlicher wird. Ein weiterer Vorteil der Wahl höherer Belastungsintensitäten liegt in diesem Kontext darin, dass dadurch ein relativ betrachtet stärkeres Wachstum der schnellkräftigen FT-Fasern hervorgerufen wird, da diese für die spezifische Leistungsentfaltung im Maximalkrafttraining eine bedeutendere Rolle als die langsameren ST-Fasern spielen (Fry, 2004). Die Belastung sollte zur Optimierung der Anpassungseffekte progressive gesteigert und bei Bedarf variiert werden.
Hinsichtlich der Übungsauswahl sollte darauf geachtet werden, dass es hier, anders als beispielsweise im Bodybuilding, nicht auf ästhetische und gleichmäßige Entwicklung aller Muskelgruppen ankommt. Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass das Muskelwachstum durch eine entsprechende Übungsauswahl primär in den Muskeln angestrebt wird, die für die sportartspezifische Leistungsentfaltung relevant sind.
Muskelmasse und Körpergewicht
In vielen Sportarten muss jedoch beachtet werden, dass sportliche Wettkämpfe in verschiedenen Gewichtsklassen ausgetragen werden. Da eine Vergrößerung der Muskelmasse in der Regel zu einer Steigerung des Körpergewichts führt, ist hier daher Vorsicht geboten. Alle Trainierenden, die nicht durch ihre Sportart an Gewichtsklassen gebunden sind, die ihre Gewichtsklasse noch nicht vollständig ausfüllen oder in eine höhere Gewichtsklasse wechseln möchten, sollten die Durchführung eines Muskelaufbautrainings zur Vergrößerung des Maximalkraftpotenzials in Betracht ziehen. Im Hinblick auf die makrozyklische Trainingsplanung sollte ein solches Muskelaufbautraining möglichst früh, idealerweise in einem der ersten Trainingszyklen bzw. -blöcken, eingeplant werden. Dieses vergrößerte Maximalkraftpotenzial kann dann als Ausgangspunkt zur Steigerung der Maximalkraftleistung in den nachfolgenden Zyklen dienen.
Fazit
Eine Vergrößerung des Muskelquerschnitts wird durch die Progression und regelmäßige Variation hypertrophiespezifischer Belastungsreize und den verwendeten Übungen optimiert. Auch wenn das übergeordnete Trainingsziel in der Steigerung der Maximalkraftleistung liegt, sollte bei Bedarf zu einem frühen Zeitpunkt innerhalb der Makrozyklusplanung ein Hypertrophietraining zur Steigerung des Maximalkraftpotenzials geplant werden.
Autor Patrick Berndt auf dem Aufstiegskongress
In seinem Vortrag auf dem diesjährigen Aufstiegskongress spricht Sportwissenschaftler Patrick Berndt über das Thema „Emerging Strategies im Personal Training“.
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